Jeder dritte Einsatz mit Rettungswagen ist nicht erforderlich.
Speziell ausgebildete Gemeindenotfallsanitäter sollen jetzt die Notärzte entlasten.

Jeder kennt das „Tatütata“ des Martinshorns, wenn Krankenwagen und Notarzt durch die Straßen sausen, um möglichst schnell am Einsatzort anzukommen. Dort eingetroffen, stellen aber vor allem Notärzte häufig fest, dass die Lage nicht lebensbedrohend ist – sie also eigentlich nicht hätten ausrücken müssen.
Um Notärzten mehr Zeit für wirklich wichtige Einsätze zur Lebensrettung zu geben, testen die drei Landkreise Cloppenburg, Vechta und Ammerland sowie die Stadt Oldenburg ein neues Projekt im Rettungswesen. Bei dem Vorhaben „Gemeindenotfallsanitäter“ sollen bei Notfällen, die nicht lebensbedrohend sind, von der Leitstelle speziell ausgebildete Sanitäter zum Einsatzort geschickt werden. Nach zweieinhalbjähriger Vorbereitung ist das bundesweit einmalige Projekt der Gemeindenotfallsanitäter am Mittwoch im Vechtaer Kreishaus offiziell gestartet worden.
Damit soll auf die steigenden Einsatzzahlen im Rettungsdienst reagiert werden. Nach Angaben von Experten ist rund ein Drittel der Rettungswagen-Einsätze medizinisch gar nicht notwendig.
25 Notfallsanitäter haben jetzt eine zusätzliche dreimonatige Ausbildung mit 200 theoretischen und 280 praktischen Stunden sowie einer bestandenen Prüfung absolviert. Damit können sie jetzt über die Leitstellen in Oldenburg und Vechta Notfallhilfe vor Ort leisten. Derzeit müssen die Disponenten in den Leitstellen den Notarzt schicken, auch wenn gar kein Arzt notwendig wäre – entweder wird ein Rettungswagen geschickt, oder die Leitstelle entscheidet sich dagegen.
Vechtas Landrat Herbert Winkel wies darauf hin, dass sich die Zahl der Rettungseinsätze von 2008 bis 2016 verdoppelt habe. In 30 Prozent aller Notrufanrufe sei ein Rettungswagen nicht erforderlich, und die Kosten für den Rettungsdienst liefen aus dem Ruder. Winkel begrüßte, dass die Krankenkassen den Gemeindenotfallsanitäter-Einsatz bezahlen.
Oliver Peters vom Malteser Hilfsdienst in Vechta berichtete über die Arbeit der Projektgruppe, die in 30 Monaten in vielen Gesprächen das aus den USA stammende Projekt der Notfallsanitäter vorbereitet habe. Er dankte den Kommunen, den Krankenkassen und den übrigen Beteiligten. Der Einsatz eines Rettungswagens mit Besatzung koste im Jahr rund 500 000 Euro. Der Einsatz eines Notfallsanitäters werde dagegen 50 000 Euro kosten.
Dr. Christian Weilbach, vom Cloppenburger St.-Josefs-Hospital stellte als ärztlicher Leiter des Projektes dar, dass erfahrene Notfallsanitäter weitergebildet worden seien. Sie hätten bei Einsätzen auch immer die Möglichkeit, einen Arzt hinzuzuziehen.
Professor Dr. Andreas Weyland vom Klinikum Oldenburg verwies als wissenschaftlicher Begleiter des Projektes auf die Telemedizinische Zentrale in Oldenburg. Hier könne sich der Notfallsanitäter stets rückversichern. Die Universitäten Oldenburg und Maastricht würden zudem die Arbeit der Notfallsanitäter wissenschaftlich begleiten und auch auswerten.
Über die Kostensituation der Rettungseinsätze referierte Jens Friedemann von der AOK für die Krankenkassen.
„Wir haben jetzt einen Knopf mehr, den wir drücken können, wenn uns ein Notfall gemeldet wird“, so Frank Leenderts, Geschäftsführer der Großleitstelle Oldenburg.
In den ersten fünf Tagen des Einsatzes der neuen Helfer habe es fünf Einsätze gegeben. Über die Ausbildung der neuen Notfallsanitäter referierten Stefan Thate, Schulleiter der Berufsfeuerwehr Oldenburg, und Frank Scheinichen vom Malteser Schulungszentrum in Neuenkirchen-Nellinghoff.
Am Projekt beteiligt sind der Rettungsdienst Ammerland, die Berufsfeuerwehr Oldenburg, der Malteser Hilfsdienst Oldenburg und Vechta, das DRK Cloppenburg, die Universität Oldenburg, das Klinikum Oldenburg sowie die Universität Maastricht.
Die Notfallsanitäter sind mit einem Notfallwagen, der mit allen erforderlichen medizinischen Geräten ausgestattet ist, einsatzbereit. Im Oldenburger Münsterland sind sie in Lohne und Garrel stationiert. Ihr Einsatz erfolgt nur über die Leitstellen mit der Rufnummer 112.
Quelle: Text NWZ